Lebensschwierigkeiten

Wir alle sind nicht allein . Wo wir leben, leben wir in Beziehungen zu anderen Menschen und müssen Nähe herstellen und Distanz wahren können und beides in eine gute Balance bringen. Die Vielfalt heute möglicher und üblicher Lebens- und Arbeitsformen verstärkt Unsicherheit, Zwiespältigkeit, Entscheidungs- und Bindungsschwierigkeiten. Allgemein übliche Beziehungsmuster und damit einigermaßen sichere Strukturen und Zukunftsaussichten können – sowohl im Privatleben als auch im Arbeitsleben! – unvermutet zerbrechen. Jede/r kann – und m u s s – öfter als früher üblich ihren/seinen Weg neu finden!

Dazu ist mehr Eigenständigkeit – mehr Mut, Selbstbewußtsein, und Urteilsvermögen nötig als noch vor zwei Generationen –

  • denn die Fragen: Wie will ich leben? – Was ist mir wichtig? – Was will ich unbedingt und worin kann ich Kompromisse eingehen? – Was kann ich schaffen, was gelingt mir leicht und was fällt mir schwer? Welche Möglichkeiten sind an einem bestimmten Ort realistisch? müssen beantwortet werden.
Allein – wer bin ich, wer will ich sein? Was kann ich? Was muss ich zur Bewältigung meiner Lebensaufgaben noch lernen?

Und weiter – wenn ich mir über mich selbst ein einigermaßen stimmiges Bild gemacht habe, dann werden in Begegnungen und Beziehungen von mir Kommunikationsfähigkeit, Verständnis , Anpassungsbereitschaft, Abgrenzungsfähigkeit, Offenheit und innere Stärke im Wechsel erforderlich. Das bedeutet auch, daß die Gültigkeit von Traditionen , Erfahrungen und Ansichten der Eltern und Großeltern von den heute mitten im Leben stehenden Menschen in vielen Lebensbereichen bewußt überprüft werden muß! Die Hoffnung, ohne eigenes Risiko ein geistiges oder materielles Erbe einfach besitzen zu können, wird nicht erfüllt. So wie auch die Hoffnung auf lebenslange Firmenzugehörigkeit, gewerkschaftlich errungenen Arbeitnehmerschutz und partnerschaftliche oder familiäre Stabilität kaum noch realistisch ist.

In allen Beziehungen sind Umsicht , Sorgfalt und Sensibilität unabdingbare Fähigkeiten des Einzelnen. Und je mehr jemand zu Besonnenheit, Kompromißbereitschaft, Rücksichtnahme und Takt bzw. Diskretion im alltäglichen Verhalten fähig ist, desto dauernder, intensiver und verläßlicher werden sich seine Beziehungen entwickeln.

Leider ist die Hoffnung verbreitet, es käme hauptsächlich auf Äußerlichkeiten und Rollenspiel an . Man könnte meinen, der erste oberflächliche Eindruck entscheide und lege fest und alles weitere ergebe sich dann von selbst. Attraktion wird an gepflegter und modischer Erscheinung, Entertainerqualitäten und charismatische Ausstrahlung festgemacht. Diese Dinge erzeugen Aufmerksamkeit, gewiß – doch sie garantieren keine zufriedenstellenden Begegnungen, keine beglückende Sexualität und keinen entspannt, vital und humorvoll funktionierenden Alltag.

Mit anderen – doch jeder für sich und noch kein sichtbares Miteinander

Aufmerksamkeit und zunächst noch distanzierte, jedoch durchaus mit verschiedenen Graden der Ernsthaftigkeit unterlegte Kontaktbereitschaft machen nur den Anfang. Dann geht es beim Kennenlernen zunächst um die mitunter spielerischen Gesprächsebenen Höflichkeit, Small talk, Scherz und Flirt . Wenn man diese nicht erkennt oder sich ihnen verweigert, beraubt man sich wesentlicher Möglichkeiten , Situationen zu lockern, zu öffnen und zu friedlicher und guter allgemeiner Stimmung beizutragen, den Mitmenschen eine Freude zu machen und ihr Interesse wach zu halten. Wieviel Herausforderung und wieviele wettbewerbsorientierte oder kämpferische Impulse dabei mit auftreten und untergemischt werden, hängt von den beteiligten Personen ab – und hier werden erste Weichen des Wunsches nach mehr Nähe oder größerer Distanz gestellt. Diese Signale gilt es bei sich selbst und beim Gegenüber realistisch wahrzunehmen. Sonst droht früher oder später Enttäuschung.